Neu gedacht: Die Personalsuche in Zeiten der digitalen Arbeit
#NextRecruiting17: Wie Recruiting- und Onboarding-Prozesse aus Sicht der Millennials gelingen können
Dieser Beitrag nimmt an der Blogparade #NextRecruiting17 von Winfried Felser teil. Denn ich finde, wenn die Unternehmen Millennial-Talente für sich gewinnen wollen, dann sollten wir Millennials ihnen sagen, wie das gelingt. Und die Unternehmen? Sie sollten die dafür notwenigen Candidate Journeys und Onboarding-Prozesse von Millennials konzipieren lassen.
Über Millennial-Kandidaten, Book Smarts und Street Smarts
Ich glaube, Millennials sind in Bewerbungsgesprächen anspruchsvoller und viel weniger kompromissbereit als ältere Arbeitnehmer. Sie haben ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein bei der Vermarktung ihrer Qualitäten. Langjährige Personaler empfinden das wohl schnell als unangebrachte Überheblichkeit. Häufig verstecken sich dahinter aber Intelligenz und Talent. Im Recruitingprozess ist deshalb zum Beispiel auch zu erforschen, ob dem zur Schau gestellten Selbstbewusstsein nun ein Street Smart-Profil oder einfach nur selbstverliebte Aufgeblasenheit zugrunde liegt.
Book Smarts, die High Potentials der Old Economy, werden im Zuge des Wandels von den Street Smarts zügig abgelöst. Warum? Book Smarts sind diejenigen, die Zusammenhänge theoretisch ausgezeichnet verstehen und erklären können. Sie kennen alle möglichen Managementwerkzeuge von der Uni her, haben darüber aber ihren gesunden Menschenverstand verloren. Sie setzen auf Wissen und Logik und malen sich vom Schreibtisch aus eine perfekte Landkarte einer nicht perfekten Welt.
Street Smarts hingegen sind diejenigen, die sich auf dem Weg in den Dschungel nicht auf eine Landkarte verlassen. Sie wissen, dort hilft sie rein gar nichts. Sie leiten Lösungen aus früheren Erlebnissen ab oder konsultieren ihr Netzwerk, quasi das Wissen der Straße. Und dieses ist weder im Wöhe, der Bibel der Betriebswirtschaftslehre, noch in der Wikipedia zu finden. Street Smarts sind keck, flott, quirlig, einfallsreich und situationserprobt. Genau das ist es, was die Next Economy braucht. Denn sie ist kaum mehr vom Reißbrett aus planbar.
Möglichkeiten zu Selbstverwirklichung und Weiterbildung schaffen
Überhaupt muss das Personalmarketing stärker auf die wachsende Zielgruppe der Millennials ausgerichtet werden. Aus unserer Sicht funktioniert das über Erlebnisse besonders gut. Man muss uns Millennials schon mehr bieten als Sicherheit, ein anständiges Gehalt und ein Weihnachtsessen. Wir suchen nach Arbeitgebern, die uns Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung und Weiterbildung geben.
Die Firma Hyperloop One macht es sich zur Aufgabe, bis 2020 induktionsgetriebenen Personen- und Warenverkehr über Land mit Höchstgeschwindigkeiten von 1 300 km/h zu ermöglichen. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt Hyperloop One die Allerbesten. Daher bieten die Stellenausschreibungen neben kompetitiver Bezahlung und sozialer Absicherung “Wirkung”, “Zusammenarbeit mit coolen Leuten”, “Lernen” und “familienfreundliche Atmosphäre”. Die Zielgruppe sind Millennials, und diese lockt man mit visionären Zielen und einem ansprechenden Umfeld. Sowas zieht die besten Talente wie magisch an.
Was Millennials antreibt, ist ihr Wille und die Möglichkeit, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und nach ihren persönlichen Vorstellungen zu gestalten. “Millennials wuchsen in einer Welt auf, in der sie von Innovationen, neuen Technologien und einer noch nie da gewesenen Produktvielfalt regelrecht überflutet wurden. Nie zuvor hatte eine Generation eine so große Auswahl an Produkten und Möglichkeiten”, sagt User-Experience-Experte Frank Bühler. „Diese Fülle an Optionen erlaubt es Millennials, sich selbst zu verwirklichen und die für sie perfekte Work-Life-Balance auszuleben.”
Recrutainment: So spricht man junge Talente an
Die besten Young Professionals können sich aussuchen, bei wem sie sich auf ein Kennenlernen einlassen. Meinen die Personaler wirklich, dass sich die Top-Performer dabei durch einen ermüdenden Bewerbungsmarathon aus Assessment Center, jede Menge Bürokratie, ewiges Warten und zig Einzelgesprächen schleusen lassen?
Moderne Unternehmen setzen sich mit jedem einzelnen Interaktionspunkt einer Candidate Journey, also der Reise eines Kandidaten durch den Bewerbungsprozess, intensiv auseinander und versuchen, das, was dort passiert, für den Bewerber so ansprechend wie möglich zu machen, damit sie die erste Garde für sich gewinnen. Wie das gut funktioniert? Indem man eine Candidate Journey entwickelt, wie wir sie in Fit für die Next Economy beschreiben.
Bewerber sind Kunden, und so sollten sie auch behandelt werden. Zum Beispiel bietet die Berliner Firma Young Targets Firmen eine neue Form des Auswahlverfahrens namens Recruitainment. Bei Recrutainment-Veranstaltungen entsteht durch die Mischung aus fachlicher Herausforderung, lockerem Networking und Karrieregesprächen eine gelöste Atmosphäre. Das ermöglicht ein Kennenlernen auf Augenhöhe, bei dem die Kandidaten Einblicke in ihre Persönlichkeit und ihr Fachwissen geben. Durch „Gamification” können stark umworbene Zielgruppen dynamisch, persönlich und unterhaltsam erreicht und begeistert werden.
Onboarding: Die alte und die neue Welt
Unternehmen verschwenden zudem viel Potenzial, weil sie ihre neuen Mitarbeiter nicht angemessen willkommen heißen. Sehen wir uns ein konkretes Beispiel an: Mein Studienfreund Jens nahm vor kurzem ein Jobangebot bei einer namhaften Unternehmensberatung im Bereich „Digital“ an. Zur gleichen Zeit nahm Anna, eine Bekannte von ihm, ein Angebot bei Facebook an. Der Onboarding-Prozess, also die Einführung des neuen Mitarbeiters in das jeweilige Team und den Job, könnte sich nicht deutlicher unterscheiden.
Jens und Anna zogen für ihren neuen Arbeitgeber beide von Wien nach Berlin. Jens’ Vorgesetzter meldete sich vier Wochen vor Arbeitsbeginn einmal per E-Mail. Hauptinhalt der Mail war die Empfehlung von zwei Büchern als Vorbereitungslektüre. Die Beratungsfirma hilft Jens nicht bei der Wohnungssuche. Eine finanzielle Unterstützung für den Umzug bekommt er ebenfalls nicht. Dabei kann der Stress, der mit dem Umzug in ein anderes Land verbunden ist, ganz gehörig sein. Es wäre also im eigenen Interesse, dem Neuankömmling etwas unter die Arme zu greifen.
Anna wurde von Facebook Unterstützung bei der Wohnungssuche angeboten, und der komplette Transport ihrer Besitztümer wurde bezahlt. Das Resultat: In den Wochen vor Jobbeginn muss sich Anna nicht mit diesen Unannehmlichkeiten befassen. Stattdessen kann sie ausgeglichen und gut vorbereitet in den neuen Job starten. Doch das wirklich beeindruckende ist die Kultur in Annas neuem Team. In den Wochen vor Arbeitsbeginn bekam sie zahlreiche persönliche Willkommensnachrichten. Die zukünftigen Kollegen drückten Anna ihre Freude aus und boten Unterstützung bei Annas Eintreffen in der neuen Heimat an. Annas Vorfreude war entsprechend hoch, ein Garant für gute Arbeitsqualität von Beginn an.
Viele Millennials wünschen sich eine Kultur wie die, die Facebook praktiziert. Nicht jeder Arbeitgeber kann sich eine finanzielle Unterstützung des neuen Team-Mitglieds leisten. Doch die Kultur im Team macht den wirklichen Unterschied. Sie kostet praktisch nichts. Dennoch ist sie unbezahlbar. Bei der Suche nach High Potentials kann sie den Unterschied machen.
Fußnoten:
1. https://hyperloop-one.com/careers
2. http://www.sciam-online.at/millennials-die-unterschaetzte-generation/
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